Möchten Sie zur mobilen Version unserer Webseite weitergeleitet werden?

Weiterführende Informationen
Nighthawks
Spielstätte Jazzclub Tonne

Jazztage Dresden 2017

MITTWOCH / 08. NOVEMBER 2017 / 20:00 Uhr

Spielstätte Jazzclub Tonne

Reiner Winterschladen - trumpet, flugelhorn
Dal Martino - bass, gtr., keys, voc
Thomas Alkier - drums
Jürgen Dahmen - rhodes, keys, perc.
Markus Wienstroer - gtr.

Die Nighthawks haben in der Spanne ihres über 20jährigen Schaffens ein fein konturiertes, ästhetisches Konzept geschaffen: Musik für Reisende. So spielen Geschwindigkeit und Ruhe, Dichte und Leere, Hell und Dunkel eine zentrale musikalische Rolle im Oeuvre der Band. Die zahlreichen, eingängigen Songs sind sehr klare, auf Reduktion bedachte Stimmungsbilder, die sich vielfach auf reale und fiktive Orte in der Welt beziehen. Der Sog fast aller Songs liegt im Sehnsuchtsvollen, einer musikalischen Welt, die man als raumgreifend beschreiben kann, die immer auch Fläche für eigene Projektion sein darf. So gesehen ist die Musik der Nighthawks ein Road Movie, eines, das sich nun in dem großartigen siebten Studio Album fortschreibt.

Das neue Album 707 hat zunächst einen irdischen Ausgangspunkt. Für die musikalischen Köpfe Dal Martino und Reiner Winterschladen ist die Boeing 707 eine Reminiszenz an ihre Kindheit. Nachdem 1958 die erste Boeing 707 in den Himmel stach, wanderten die Blicke der Buben den Kondensstreifen der Düsentriebwerke hinterher. Schon sechs Jahre später trug das Flugzeug die Beatles nach Amerika. Und bereits 1 ½ Dekaden später stiegen die ersten Rock Stars die Gangway der 707 hinab. Die von dort winkenden Led Zeppelin oder auch die Rolling Stones sind im kollektiven Gedächtnis tief eingegraben. Dal Martino ergänzt: „Im Grunde war die 707 der erste Kulturtransporter einer sich internationalisierenden Musikwelt. Die in riesigen Lettern auf der Außenhaut der Flugzeuge aufgetragenen Bandnamen waren einfach ein unglaublich starkes Bild. Ich war komplett fasziniert.“

Im Studio sollte der Geist von einst nochmals einen Widerhall erfahren. Freigeist Reiner Winterschladen, stark der improvisierten Musik zugewandt, musste sich im Trompetenspiel immer wieder durch die Prämisse Dal Martinos, sich in Reduktion zu üben, einschränken. Dieses Spannungsverhältnis hat eine Vielzahl an Soundskizzen hervorgebracht, die Dal Martino in unzähligen Nacht-Sessions am Studiopult immens verdichtet hat. Geblieben sind 7 Songs und die viersätzige 707 Suite. Eine Reise von knapp einer Stunde.

Start des Albums ist Rickenbacker Causeway, ein Track, der eine Fahrt von Miami zu den vorgelagerten Inseln auf eben diesem Highway musikalisch beschreibt. Corneto por Stefano, der zweite Titel, ist eine Widmung an Stefan Krachten, den verstorbenen Drummer der Nighthawks Vorgänger Band Trance Groove. Das darauf folgende Portree Liberty atmet dann einen guten Zug Americana. Die Trompete entfaltet sich luftig über einem flirrenden Feld ehe das folgende Stück Little Do I Know von schnellerem Puls getragen ist.

Kernstück des Albums ist die Suite 707. Ein starkes, teils kantiges Werk. Musik, die sich kraftvoll zeigt und auch bis in psychedelisch rockige Gefilde vordringt. Zugleich verweist die 707 Suite auf die 1998 entstandene Bronco Suite, welche auch heute noch in Auszügen im Live Programm auftaucht. Die Nighthawks hatten einst großen Respekt vor der Live Umsetzung der Musik. Doch mit Musikern wie Jürgen Dahmen (keys/rhodes/perc.), Jörg Lehnardt (guitar) und Thomas Alkier (drums) hat das Quintett eine stabile Live Besetzung gefunden, die zugleich auch maßgeblich nebst Gästen das neue Album eingespielt hat. Anders als bei anderen Bands, geht man nicht gemeinsam ins Studio, sondern wird gerufen, wenn der musikalische Nährboden brodelt, die Skizze Kontur hat und die eigene Instrumentalfarbe gefragt ist. Aufwendig ist dies. Umso mehr, wenn Dal Martino’s Blick auch immer wieder gen USA schweift, dort wo er einst gelebt hat. Immer noch schwingen die relaxten Sounds von J.J.Cale oder auch Steely Dan nach. Mit Jeff Young konnte Dal Martino einen Mitmusiker von Donald Fagen (Steely Dan), Jackson Browne, Sting, Bonnie Raitt u.v.a. für das Projekt als Sänger gewinnen. Die wunderbare Stimme steuert den Pop Song des Albums bei: Happy Days. Jeff Young hat dieses Stück mitkomponiert und lässt die Leichtigkeit L.A.’s auf das Album einfließen. Noch vor Happy Days steht ein typisches Nighthawks Stück mit Six a.m. Gate 27, welches das Flügelhorn Spiel von Reiner Winterschladen präsentiert. Das letzte Stück des Albums, der Remix Casino Revisited, sollte echten Nighthawks Fans durchaus bekannt sein.

Wer nach dem Hören von 707 auf das Gesamtschaffen der Band zurückblickt, wird einige musikalische Motive und Themenfragmente bereits aus älteren Alben kennen. Die Band versteht es traumwandlerisch den Luft- und Bodenraum zu bereisen und eigene musikalische Routen zu finden. Doch immer wieder kreuzen sich die alten und die neuen Wege und so kehren auch musikalische Erinnerungen zurück, Erinnerungen die ohne Navigation auskommen. Der Hörende ist ein sicherer Mitreisender, der sich dem Rausch der Bildwelten bei offenen oder geschlossenen Augen hingeben darf. Die Reisen haben Abfahrt- und Ankunftsorte – aber die Reise an sich ist immer ein verdichtetes Klangbild. Der Hörer selber bedient seine eigene Filmspule.